Als es aber Gott gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren – Gal.1,15-16
Als die Zeit erfüllt war, die der ewige Gott zuvor seinen Propheten anzeigte (Dan.9,25; Micha.5,1 etc.), offenbarte Er sich und Sein Wesen in Raum und Zeit durch Seinen Sohn Jesus Christus. Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung (Kol.1,15), das Ebenbild Gottes, der Abdruck Seines Wesens. Allerdings offenbarte sich der HERR nur in Seiner menschlichen Erniedrigung: Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch erfunden(Phil.2,7) – denn eine Offenbarung Seines wahren Wesens würde kein sterblicher Mensch ertragen. Einzig auf dem „Berg der Verklärung“ ließ Er für einen kurzen Moment die Tür einen Spalt öffnen, so dass drei seiner Jünger ein wenig Einblick in Sein wahres Wesen erhielten. Es war allerdings nur eine Erscheinung oder eine Vision, wobei das ausgestrahlte Licht heller war, als das der Sonne (Mt.17,1-13).
Und genau so offenbarte sich dann der HERR einige Jahre später dem Pharisäer Saulus vor Damaskus (Apg.9,1-9). Wieder war es eine Erscheinung und erneut war die Lichtkraft stärker, als der Schein der Sonne (Apg.26,13). Sie führte zur augenblicklichen Erblindung von Saulus. Durch den anschließenden Dienst von Ananias wurde Saulus wieder sehend, bekehrte sich zum HERRN, wurde getauft, empfing den Heiligen Geist und seinen neuen Namen Paulus. Die sichtbare Offenbarung des Herrn Jesus Christus führte damit zur Umkehr und zur Berufung von Paulus. Dadurch empfing er auch das Apostelamt, denn ein Apostel musste den HERRN selber gesehen haben (Apg.1,21-22).
Doch im Brief an die galatischen Gemeinden spricht Paulus eine andere Erfahrung an: Die Enthüllung des Sohnes Gottes in seinem Leben und Wesen. Das ist gleichsam das zentrale Geheimnis des Neuen Testamentes – das so genannte Geheimnis des Christus. Es war dem Apostel Paulus vorbehalten, dieses elementare Geheimnis zu erkennen, wodurch er zum eigentlichen Offenbarungsinstrument wurde. Nur in seinen Briefen wird deshalb die Formulierung in Christus verwendet. Es ist das Geheimnis, das von den Weltzeiten und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen geoffenbart worden ist. Ihnen wollte Gott kundtun, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Nationen sei, und das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. (Kol.1,26-27).
Was genau offenbarte Gott dem Apostel Paulus? Im Nahzusammenhang sind es im Wesentlichen zwei Tatsachen: 1. Den Standort von Jesus Christus im Menschen, und 2. dass Jesus Christus als Sohn Gottes im Menschen enthüllt wird und dort anwesend sein will. Das sind zwei ausgesprochen herrliche Tatsachen, die in der „christlichen“ Verkündigung leider kaum zu hören sind. Und dabei sind es in Bezug auf unseren praktischen Wandel, unsere Umgestaltung in das Bild Jesu und unsere ewige Berufung und Auserwählung doch die alles entscheidenden Voraussetzungen. Tatsache ist leider, dass nur Verkündiger dieses Geheimnis vermitteln können, die die Offenbarung von Jesus Christus in ihrem Leben selber erfahren haben!
Für praktisch alle „Christen“ wohnt Jesus Christus zur Zeit im „Himmel“, denn dorthin wurde Er schließlich auch emporgehoben (Apg.1,9-11). Und nun warten sie seit bald 2‘000 Jahren und vielen Generationen, dass Er von dort zurückkehrt. Sie nennen dies die „Wiederkunft Jesu Christi“. In der Zwischenzeit bleiben nur Glaube und Hoffnung – und der Versuch, Jesus Christus möglichst gut auf dieser Erde nachzufolgen oder zu imitieren. Dies führt im Normalfall zu häufigem Versagen, religiöser Illusion und v. a. zur Gesetzlichkeit. So genannte „alte Menschen“ versuchen, Jesus Christus zu kopieren, Ihm wohlzugefallen, zu werden wie Er oder in Seinen Fußstapfen zu gehen. Wenn diese Absichten auch durchaus edel und „christlich“ gemeint sind, so enden sie doch allesamt in einer Sackgasse. Es ist die gleiche Sackgasse, in die beispielsweise die Galater durch einen Gesetzeslehrer irregeführt wurden (Gal.3,1 ff.).
Das wahre Evangelium des Christus sieht nicht eine Imitation von Jesus Christus vor, sondern einen völligen Lebensaustausch. Überführte Menschen, die aufgrund ihrer eigenen, religiösen Leistungen zusammengebrochen sind, erfahren durch den Glauben die so genannte „Mitkreuzigung“ ihres alten, „christlichen“ Menschen. Wie in der tiefen Bedeutung der „Taufe“ illustriert, wird der alte, gefallene und verdorbene Mensch (Adam) in Christus am Kreuz abgetan und mit dem Tod von Jesus Christus gleichgestaltet. Denn wenn wir verwachsen sind mit der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch mit der [seiner] Auferstehung sein, da wir dies erkennen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen (Röm.6,5-6). Anschließend wird uns der „neue Menschangezogen, und dieser heißt: Jesus Christus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen (Gal.3,27). Oder anders ausgedrückt: Jesus Christus wird in uns offenbart – oder genauer: enthüllt! Und das ist exakt die Erfahrung, die Paulus den Galatern andeutete: Als es aber dem, der mich von meiner Mutter Leibe an ausgewählt und durch seine Gnade berufen hat, gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn unter den Nationen verkündigte, zog ich nicht Fleisch und Blut zu Rate (Gal.1,15-16).
Mit anderen Worten: Jeder Mensch könnte die identische Erfahrung des Apostel Paulus machen: die Enthüllung von Jesus Christus in seinem sterblichen Fleisch: … allezeit das Sterben Jesu im Leib umhertragend, damit auch das Leben Jesu in unserem Leibe offenbar werde. Denn ständig werden wir, die Lebenden, dem Tod überliefert um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu in unserem sterblichen Fleisch offenbar werde (2.Kor.4,10-11). Und um das Ziel unserer ewigen Berufung als Mensch zu erreichen, müssen wir die identische Enthüllung von Jesus Christus in uns erfahren. Ansonsten sind wir in jeder Hinsicht völlig überfordert, dem Vater im Himmel wohlgefällig zu sein. Denn nur in Christus sind wir beispielsweise so gerecht und heilig, wie Sein Sohn selber: Aus ihm aber [kommt es, dass] ihr in Christus Jesus seid, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung (1.Kor.1,30).
Nur durch die Anwesenheit von Jesus Christus in uns können sämtliche geistlichen Veränderungen und Ziele erreicht werden. Deshalb ist Christus in uns auch die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol.1,27). Und wenn der Vater nicht Seinen Sohn in uns findet, ist uns der Zugang in den „Himmel“ (ins Allerheiligste) verbaut. Wir werden dann als Übertäter abgewiesen (Mt.7,21-23) oder als solche, die kein Hochzeitskleid tragen (Mt.22,12).
Das Prinzip der Erlösung lautet: Tod dem „alten Menschen“ – Lebensaustausch mit dem „neuen Menschen“, Jesus Christus – Umwandlung in das Bild von Jesus Christus durch die Heiligung und schließlich das Eingehen in Gottes Herrlichkeit – und das alles in Christus!
Während also fast alle „Christen“ seit bald 2‘000 Jahren auf die „Wiederkunft“ von Jesus Christus warten, sieht das Geheimnis des Christus die Anwesenheit oder die Enthüllung von Jesus Christus durch den Geist schon jetzt in diesem Leben vor: dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid (Eph.3,17). Die genaue Übersetzung des griechischen Wortes „parousia“ (wörtlich: Daneben-Sein) heißt denn auch nicht „Wiederkunft“, sondern Anwesenheit oder Gegenwart von Jesus Christus. Der Herr Jesus Christus will heute in uns wohnen, unser Leben (Phil.1,21) und der lebendig machende Geist sein (2.Kor.3,17-18), und vieles, vieles mehr. Seine permanente Anwesenheit in unserem irdischen Dasein ist das zentrale Lebensgeheimnis eines geistlichen Menschen. Und „geistlich“ kann nur ein Mensch sein, der in Christus ist – oder in dem Jesus Christus enthüllt (offenbart) wurde.
Natürlich wird Jesus Christus irgendwann sichtbar zurückkehren und Sein Königreich aufrichten. Doch bis es soweit ist, freuen wir uns mit verherrlichter Freude über die Tatsache, dass der in uns enthüllte Herr Jesus Christus durch Seinen Geist in uns wohnt, lebt, redet, gehorcht, glaubt, überwindet, betet usw. usw.

(Dass der Herr Jesus Christus als Sohn Gottes in uns enthüllt wird, ist ein weiteres Geheimnis. Es wird jedoch aus Zeit- und Platzgründen zu einem späteren Zeitpunkt separat ausgelegt.)


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