So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt − Joh.14,9

In keinem Kapitel des Wortes Gottes treten die drei Personen des ewigen, lebendigen Gottes so unmittelbar in Erscheinung, wie in Joh.14. Während für unzählige Theologen der Begriff „Dreieinigkeit“ oder „Trinität“ ein ewiges und anscheinend unlösbares Streitthema darstellt, freuen wir uns darüber, wie überwältigend die Nähe des uns über alles liebenden Gottes in diesem wunderbaren Kapitel der „Bibel“ enthüllt wird. Denn in Wahrheit ist uns der HERR weit näher, als es die meisten „Gläubigen“ wahrhaben wollen. Und genau diese Tatsache wollte der Herr Jesus Christus seinen Jüngern und insbesondere Philippus und Thomas klarmachen.

Während sich der Herr Jesus Christus in Joh.1-12 v. a. an die Öffentlichkeit wendete, redete Er in Joh.13-17 nur noch zu seinen Jüngern. Und diskussionslos beinhalten diese vier Kapitel Informationen von unschätzbarem Wert für die wahre Gemeinde oder den wahren Leib des Christus. Es ist diese unmittelbare Vertrautheit − diese die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus (Eph.3,19), die zwischen den Zeilen zum Vorschein tritt. Doch diese Zusammenhänge enthüllen auch eine große Not unter Gottes vermeintlichem Volk, nämlich ein oft erschütterndes Defizit in der wahren Erkenntnis von Jesus Christus.

Rund dreieinhalb Jahre lebten die zwölf Jünger in der sichtbaren Gegenwart von Jesus Christus. Und zum Ende seines Dienstes musste der Herr Jesus Christus feststellen, dass Ihn seine Jünger letztlich nicht erkannt hatten. Genau diese Tatsache steht für die große geistliche Not auch unserer Tage. Die Jünger kannten zwar den Herrn Jesus Christus in seiner irdischen Erscheinung − aber den ewigen Gott und HERRN hatten sie nicht erkannt. So lange sahen und erlebten die Jünger schon den Herrn Jesus Christus − und doch hatten sie den HERRN nicht erkannt (Joh.14,9). Wie bei den meisten neuzeitlichen „Gläubigen“ war Jesus Christus in den Augen seiner Jünger letztlich nur ein Religionsbegründer mit bestimmten Funktionen. Er sollte Israel erlösen, z. B. von den lästigen Römern, oder das messianische Friedensreich einläuten und befehligen. Dabei war alles mit seiner äußeren Erscheinung und Anwesenheit gekoppelt. Und das barg natürlich große Gefahren. Was, wenn Jesus Christus nicht mehr da wäre? Dann musste zwangsläufig die schöne, religiöse Welt der Jünger zusammenbrechen. Quer durch Joh.14 entdecken wir denn auch die unterschwellige Angst der Jünger, dass sich Jesus Christus wieder verabschieden könnte.

Doch was heißt eigentlich, den Herrn Jesus Christus oder seinen Vater zu „erkennen“? Denn in diesem Verb ist das ganze Geheimnis wahren geistlichen Lebens eingebaut. Im Alten Testament wurde dieses Verb für die innige Ehegemeinschaft verwendet (1.Mo.4,1; Mt.1,25). Paulus greift das Thema in Eph.5,31 auf. Aus zwei wird eins − ein Fleisch und ein Gebein (Eph.5,30 - Luther). Und das Ganze wird dann so eins sein, dass es nicht mehr geschieden werden kann (Mt.19,4-6). Die Ehegemeinschaft − das Ein-Fleisch-Sein − ist aber nur ein Vorbild. Sie ist ein Typus auf etwas viel Gewaltigeres, nämlich die unmittelbare und untrennbare Lebensgemeinschaft mit dem Herrn Jesus Christus, mit seinem Vater und tatsächlich auch mit dem Heiligen Geist. Und genau davon redet Joh.14! Es ist das Spannungsfeld der äußerlichen (religiösen) Anwesenheit des „Religionsführers“ Jesus Christus und der permanenten inneren Gegenwart des ewigen Gottes, ausgedrückt in drei Personen (Vater, Sohn und Heiliger Geist). Alle drei Personen treffen wir diskussionslos in Joh.14 an.

Die Jünger hatten Jesus Christus nur äußerlich gesehen − und zwar in seiner massiv reduzierten, menschlichen Erscheinung. Der wahre Sohn Gottes trat einzig kurz auf dem „Berg der Verklärung“ in einem Lichtglanz auf, der heller war, als die Sonne; es war die Erscheinung seiner himmlischen Herrlichkeit in Mt.17,1-6. Zudem wurde Er dort nur von drei Jüngern gesehen, die allerdings völlig überfordert waren. Doch alle zwölf Jünger hatten keine Ahnung, wer Jesus Christus tatsächlich war. Sie hatten Ihn in jenem Zeitpunkt eben noch nicht erkannt, d. h. Er war noch nicht in ihrem Leben, Geist oder Herz unmittelbar anwesend. Das stand ihnen noch bevor. Der Herr Jesus Christus deutete dies mit herrlichen Worten an, z. B. in Bezug auf den Heiligen Geist (Joh.14,16-17), auf sich selber (Joh.14,18-19) oder auf den Vater (Joh.14,23).

Also verheißt der Herr Jesus Christus die reale, geistliche Offenbarung und Anwesenheit sowohl von Ihm, seinem Vater als auch vom Heiligen Geist. Und bei wem tritt dies ein? Er formuliert drei Bedingungen: die an Ihn glauben (Joh.14,12), die seine Gebote haben und halten (Joh.14,21) und die Ihn lieben (Joh.14,21;23). Zusammengefasst läuft dabei alles über Jesus Christus (Joh.14,6), also über die innige Vereinigung mit Ihm.

Was heißt damit, den Herrn Jesus Christus erkennen? Es beginnt damit, dass man zuerst das richtige Evangelium hört, kennt und anwendet. Gemeint sind nicht die vier klassischen Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Sie informieren uns nur darüber, wer Jesus Christus ist, wie Er auf die Erde kam, was Er tat und lehrte und wie Er auferweckt wurde. Doch wir finden darin keinerlei Anweisungen, wie man Jesus Christus erkennt. Das ist Inhalt des Evangeliums des Christus, wie es Paulus enthüllt wurde (Gal.1,7-12; Eph.3,3-4). Verknüpft man alle relevanten Aussagen aus den Paulusbriefen miteinander, ergibt sich folgendes Bild: Im Kreuzeswerk Christi verband der ewige Gott und Vater, aus seiner Sicht, den Menschen mit seinem Sohn Jesus Christus. Er „taufte“ den Menschen in Jesus Christus hinein (Röm.6,3 ff.), d. h. Er vereinigte den Menschen mit seinem Sohn Jesus Christus. Dann handelte Er durch seinen Sohn an allen Menschen und übertrug dann den Menschen aus seiner Liebe und Gnade seinen Sohn, d. h. sein Leben, seine Lebenseigenschaften und sämtliche von Ihm erworbenen geistlichen Positionen und Privilegien.

Diese objektiven, von Gott geschaffenen Tatsachen muss nun ein Mensch erkennen, d. h. er muss genau wissen, zu was ihm Jesus Christus gemacht wurde (1.Kor.1,30) und was ihm in Christus geschenkt wurde (Röm.8,32; 1.Kor.2,12). Gott will nicht, dass Menschen seinem Sohn Jesus Christus als „christlicher Religionsführer“ nachfolgen, sondern dass es zu einem Lebensaustausch mit Ihm kommt. Der alte Mensch wird der Erfahrung nach mitgekreuzigt, entmachtet, und der glaubende Mensch erhält Jesus Christus als sein Leben (Röm.6,4-8; Gal.2,20; Phil.1,21). Nimmt nun ein Mensch den Herrn Jesus Christus auf dieser Grundlage an, wird ihm der Herr Jesus Christus real als Leben eingesetzt. Oder er wird der Erfahrung nach in Christus eingesetzt, als Rebe in den Weinstock (Joh.15). Es kommt zur Offenbarung von Jesus Christus in unserem sterblichen Fleisch (2.Kor.4,11). Christus in uns wird zur Hoffnung der Herrlichkeit (Kol.1,27). Joh.14 erfüllt sich! Weil wir nicht von drei „Göttern“ reden, sondern vom ewigen, lebendigen Gott, offenbart sich nach einer göttlichen Neuzeugung aus Wasser und Geist (Joh.3,3ff.) der ewige Gott mit den geistlichen Auswirkungen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir stellen die typischen Lebenseigenschaften der drei Personen Gottes fest. Sie sind ebenso untrennbar, wie der ewige Gott und Geist es selber ist.

Der HERR sucht damit nicht religiöse, „christliche“ Aktivisten. In Wahrheit will Er selber mit allen Bestandteilen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in uns Wohnung machen, sich in uns und durch uns offenbaren. Diese Einheit ist menschlich unvorstellbar und ebenso geheimnisvoll. Der Vater in Jesus Christus, Jesus Christus im Vater und Jesus Christus in uns (Joh.14,20; 17,21;23;26). Weil Jesus Christus lebt, leben auch wir (Joh.14,19). Weil wir in Christus sind, sind wir auch in seinem Vater. Und durch die Taufe in den Heiligen Geist sind wir auch im Heiligen Geist. Der HERR ist im Geist unmittelbar anwesend. Konsequenterweise offenbart Er dann auch seine Werke (Joh.14,12), sein Leben, seinen Geist und z. B. auch die Frucht des Geistes (Gal.5,22).

All das und noch viel, viel mehr ist das wunderbare Ergebnis davon, wenn man Jesus Christus richtig erkannt hat. Weil dies leider nur sehr selten der Fall ist, verstehen wir nun auch die Gebetslast von Paulus, dass seine Briefempfänger doch den Herrn Jesus Christus (richtig) erkennen mögen (Eph.1,15-23; 3,14-19; Kol.1,9 ff.; 2,1 ff.).

 


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