Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet – Mk.14, 71

Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen, dass Petrus seinen über alles geliebten HERRN verleugnen konnte – sogar mit sich verfluchen und mit einem Schwur? Es gibt dafür sehr wohl Antworten, nämlich eine seelsorgerlich-„psychologische“, eine geistliche und eine tiefe göttliche Begründung.

Von Natur aus sind wir Geschöpfe, die von und aus der Kraft der Seele leben, die mit Vernunft und Verstand gepaart ist. Jede menschliche Seele meint es wissentlich prinzipiell gut, zumindest nach dem subjektiven Bewusstsein. Ob das moralisch, ethisch und v. a. nach Gottes ewigen Plänen auch tatsächlich so gut ist, ist ein ganz anderes Thema. So wollte etwa die Mutter Jesu ihren Sohn manipulieren, beim Versiegen des Weins bei der Hochzeit zu Kana zu intervenieren – und bekam prompt eine deftige Abfuhr (Joh.2, 4). Oder Petrus wollte den Herrn Jesus Christus davon abhalten, sein Erlösungswerk in Jerusalem zu vollenden und wurde der Kooperation mit Satan bezichtigt (Mt.16, 23). Beide wollten sie für alle Beteiligten nur das Beste – und taten aus der Kraft der gutmeinenden, menschlichen Seele doch das Verkehrte (Jak.3, 15).

Die menschliche Seele ist geprägt vom gefallenen Wesen Adams und steht naturgemäß unter dem Diktat der Sünde (Röm.5, 12). Sie ist zudem Sammelbecken sämtlicher bisheriger Erfahrungen und Erlebnisse eines Menschen, die ihn zeitlebens prägen. Dazu kann sie erst noch von dämonischen Kräften eingespannt werden – etwa durch okkulte Betätigung in der persönlichen Vorgeschichte oder durch diejenige früherer Generationen (2.Mo.20, 4-5).

Aufgrund all dieser Begründungen wird die menschliche Seele unberechenbar, untersteht Begrenzungen und neigt zu Angst- und Panikreaktionen. Übersteigt eine Herausforderung des Lebens die Kapazität der Seele, reagiert sie plötzlich völlig unlogisch, panisch, entgegen jeder Überzeugung von Moral, Ethik, Liebe etc. Weil Petrus realisierte, dass er das nächste Opfer der jüdischen Willkür sein könnte, bestritt er plötzlich jede Verbindung zu jener Person, mit der er mehr als drei Jahre gewaltigste Erfahrungen gemacht hatte, selbst im eigenen Haus (Mt.8, 14-15). Der blinde Hass der jüdischen Religionsleiter gegenüber dem Herrn Jesus Christus löste bei Petrus Panik aus. In der Folge hatte ihn seine Seele im Griff und missbrauchte ihn zur Lüge, zum Meineid und zum Sich-verfluchen. Statt sich selber zu verleugnen (Mt.16, 24), verleugnete er den Herrn Jesus Christus.

Die geistliche Begründung der Verleugnung von Petrus ist mit der seelsorgerlichen verknüpft. Petrus stand in jener Phase noch vor der echten Umkehr (Lk.22, 32). Er war bisher nur ein alter Mensch, der mitlief. Zwar vollzog er bereits Krafttaten im Namen Jesus Christus, ohne aber tatsächlich neu geworden zu sein (Mt.7, 21-23). Sein alter Mensch (seine Seele, sein „Fleisch“) war noch nicht entmachtet und durch den neuen Menschen (Jesus Christus) ausgetauscht worden (Röm.6, 4-6). Folgerichtig wurde er noch von seinem alten Menschen (seiner Seele, seinem „Fleisch“, z. T. von Satan) getrieben. Weil diese im Widerstreit zu Gottes ewigen Gedanken stehen (können), ist die ganze Sache unberechenbar, kann jederzeit kippen und die Stoßrichtung ändern – eben z. B. den Herrn Jesus Christus verleugnen – natürlich ohne jede böse Absicht. Man ist eben Spielball von Kräften, die man letztlich nicht im Griff hat. Es sind die sog. „geistlichen Feinde“, als da sind: der alte Mensch, das Fleisch, die Sünde, Satan, Dämonen, Lüste und Begierden etc.

Die Lösung liegt prinzipiell in der Erfahrung der völligen Neuwerdung, der sog. „Wiedergeburt“, kombiniert mit der Erfahrung der Taufe in Heiligem Geist und einer vollständigen Lebensbereinigung (Busse) (Apg.2, 38-39). Folgerichtig tritt Petrus nach dem historischen und seinem persönlichen „Pfingsten“ völlig verändert auf. Vom Verleugnen seines Herrn Jesus Christus ist keine Spur mehr auszumachen (Apg.2, 14 ff.). Die Seele von Petrus war entmachtet und an ihre Stelle trat der Herr Jesus Christus, kombiniert mit den Wirkungen des Heiligen Geistes. Entsprechend traten die herrliche Frucht des Geistes (Gal.5, 22) und die Kraftwirkungen des Heiligen Geistes auf (1.Kor.12, 8-10). Der Herr Jesus Christus wurde durch das Leben von Petrus nicht mehr verleugnet (2.Tim.3, 5), sondern verherrlicht. Er wurde zum Brief Christi, gelesen von jedermann (2.Kor.3, 2-3).

Doch in Wahrheit geht die Verleugnung von Jesus Christus, die Petrus vollzog, noch viel tiefer. Er sagte nämlich: „Ich kenne diesen Menschen nicht“ – oder genau: „Ich weiß nichts von diesem Menschen“ (Mk.14, 71). Und da hatte er völlig Recht. Seit sich am historischen Pfingsten die ersten 120 Menschen echt bekehrten und vom Heiligen Geist erfüllt wurden, haben dies im Verlauf von bald 20 Jahrhunderten bestimmt Millionen von Menschen mit aufrichtigem Herzen ebenfalls getan. Doch haben sie wirklich den Herrn Jesus Christus gekannt, so wie es der ewige Gott und HERR gemäß seinen Gedanken und Plänen meint? Denn den Herrn Jesus Christus tatsächlich zu kennen und v. a. zu erkennen, ist in Wahrheit ein noch wesentlich tieferer Erfahrungsinhalt.

Der Apostel Paulus ist wohl der größte menschliche Offenbarungsträger dieses Gemeindezeitalters. Er hatte eine gewaltige Bekehrung erlebt (Apg.9, 3-19) – und doch anscheinend den Herrn Jesus Christus anfänglich noch nicht korrekt erkannt. Denn den Philippern schrieb er später, dass er die Sehnsucht besitze, den Herrn Jesus Christus zu erkennen (Phil.3, 10). Und den Gliedern der Erweckungsgemeinde in Ephesus formulierte er Gebete, die die Erkenntnis von Jesus Christus zum Mittelpunkt hatten (Eph.1, 15-23; 3, 14-21). Also waren die Epheser wohl bekehrt, gläubig und vom Heiligen Geist erfüllt – und kannten augenscheinlich doch den Herrn Jesus Christus nicht in richtiger Weise. Worin besteht dieser eigenartige Kontext?

Die Antwort liegt im sog. Evangelium des Christus begründet, wie es nur dem Apostel Paulus enthüllt wurde (Gal.1, 11-12). Es entspricht gleichzeitig dem Geheimnis des Christus (Eph.3, 4; Kol.4, 3). Es bringt u. a. zum Ausdruck, dass man sich wohl zu Jesus Christus bekehren und ihm nachfolgen kann. Und doch hat man Ihn wahrscheinlich (noch) nicht richtig erkannt.

Folglich muss man vom Hintergrund der Paulusbriefe definieren, was es heißt, Jesus Christus zu erkennen. Das hat einen direkten Bezug zum Kreuzeswerk Christi und wie der ewige Gott und Vater den Menschen seit Golgatha sieht. Oder anders gesagt: Wir müssen den Blickwinkel Gottes in seinem und durch seinen Sohn Jesus Christus für uns Menschen erkennen und durch den kindlichen Glauben zu unserem eigenen machen. Der ewige Gott und Vater hat uns am Kreuz mit seinem Sohn Jesus Christus identifiziert, was einfach gesagt bedeutet: Was immer der Herr Jesus Christus vollzog, vollzog Er für uns. Was immer der Herr Jesus Christus erwarb, wurde uns ohne Verdienst aus reiner Gnade zu 100% übertragen, also geschenkt (Röm.8, 32; Eph.2, 8-10). Gott sieht uns seit Golgatha als in Christus – eine Formulierung, die Paulus ständig in seinen Briefen verwendet.

Nun müssen wir erkennen, was uns in Christus zugefallen ist und geschenkt wurde, wer wir sind in Christus und was wir in Ihm besitzen. Sämtliche Antworten finden wir v. a. in den Paulusbriefen. Dann gilt es, sich jedes einzelne Element der Erbschaft (Röm.8, 17) und der Fülle Christi persönlich durch den kindlichen Glauben anzueignen. Nur was wir persönlich erkennen und abholen, gehört uns tatsächlich. Das bedeutet, sowohl den Herrn Jesus Christus zu erkennen, als auch in Jesus Christus zu bleiben. Es ist ein Leben in Christus und jede bewusste Sekunde des Alltags ein Leben aus Ihm. Wir beziehen aus seiner Fülle Gnade um Gnade (Joh.1, 16). Allein durch den kindlichen Glauben aktivieren wir die Gnade Gottes in Jesus Christus und leben dann aus seiner Fülle. Wir erleben auf diese Weise sämtliche Eigenschaften des Lebens Jesu – seine Liebe, seine Kraft, seine Heiligkeit, seine Gerechtigkeit, seine Vollkommenheit usw.

Und die Wirkung? Durch die Anwesenheit von Jesus Christus in unserem sterbenden Fleisch (2.Kor.4, 10-11) sind sowohl unsere Seele als auch unser alter Mensch, die Sünde und eben sämtliche „geistlichen Feinde“ entmachtet. Wir haben unser Leben verloren und das Leben Jesu gewonnen (Phil.3, 8). Wir verleugnen uns täglich – und nicht mehr den Herrn Jesus Christus (Mt.16, 24). Triebfedern sind nicht mehr unsere Seele, unser Gefühl, Verstand etc., sondern der uns innewohnende Herr Jesus Christus durch die Kraftwirkungen des Heiligen Geistes. Das heißt genau, Jesus Christus erkennen, in Christus zu sein und aus Jesus Christus heraus zu leben. In dieser Weise kannte Petrus den Herrn Jesus Christus noch nicht, als er Ihn verleugnete. Deshalb musste er Ihn geradezu verleugnen.

Den Herrn Jesus Christus korrekt zuerkennen und ständig in Ihm zu sein ist Vorrecht, Privileg und Herrlichkeit zugleich. Es ist aber auch ein totaler Schutz z. B. vor unserer (gefallenen) Seele, die es ja so gut meint … und am Ende doch den Herrn Jesus Christus verleugnet!


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