Der Prophet Jona, der Fisch und der Rizinus – Jona 1-4

Für die meisten aufgeklärten Menschen ist die Geschichte von Jona, der sich drei Tage in einem Fisch aufhielt, eine Lachnummer. Sie ist höchstens als eindrückliche Sonntagsschulgeschichte geeignet. Doch im Normalfall kann sie den Status eines „religiösen Märchens“ nicht abschütteln. Tatsächlich enthält das Prophetenbuch Jona aber elementare geistliche und seelsorgerliche Informationen, die für jeden Menschen in Christus von größter Wichtigkeit sind, um nicht am Ziel vorbeizugleiten (Hebr.2, 1).

Der Herr Jesus Christus gibt Jona und seinem dreitägigen „Fischaufenthalt“ eindeutig einen historisch realen Charakter. Als die wundersüchtigen Juden ein Zeichen forderten, erwiderte der Herr Jesus Christus: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen, und kein Zeichen wird ihm gegeben werden, als nur das Zeichen Jonas', des Propheten (Mt.12, 39; 16, 4). Anders ausgedrückt würde der Herr Jesus Christus demnächst eine analoge Erfahrung machen, wie der Prophet Jona. Nur wäre sein dreitägiger Aufenthalt nicht in einem Fisch, sondern im „Herzen der Erde“ (Mt.12, 40). Das war die Zeitspanne zwischen seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung. Er war dabei übrigens ebenso lebendig, wie zuvor Jona – allerdings mit göttlichen Aufträgen (z. B. 1.Pt.3, 18-20).

Dass dies auf den Herrn Jesus Christus zutraf, werden wohl zumindest die „Gläubigen“ akzeptieren. Doch der Apostel Paulus verknüpft die Stationen Kreuz, Tod, Grablegung und Auferstehung des Herrn Jesus Christus mit bestimmten Menschen, die in Christus die analoge Erfahrung machen sollen. Er bezeichnet sie als mitgekreuzigt (Röm.6, 6), mitgestorben (2.Tim.2, 11), mitbegraben (Röm.6, 4; Kol.2, 12) und mitauferweckt (Eph.2, 6; Kol.2, 12). Also war der „Fischaufenthalt von Jona ein Typus auf den Herrn Jesus Christus und seine zukünftigen Brüder, die in einer geistlichen Erfahrung das Gleiche wie der Herr Jesus Christus erfahren sollten. Der Prophet Jona illustrierte es, und der Herr Jesus Christus vollzog es am eigenen Leib und Geist. Seine zukünftigen Brüder aber sollten sich durch den Glauben die gesamten geistlichen Konsequenzen davon aneignen.

Dies bringt uns zum Propheten Jona. Er war ein außergewöhnlicher Mensch – nämlich ein Hebräer, der tatsächlich klar und deutlich Gottes Stimme vernahm (Jona 1, 1-2). Allerdings hatte sein Charakter massive Mängel, weshalb er von Gott therapiert wurde – letztlich leider ohne Erfolg – trotz „Fischaufenthalt“ (Kreuzes-, Todes- und Auferstehungserfahrung). Jona repräsentiert im Jargon des Apostels Paulus den typisch „fleischlichen“ Gläubigen (1.Kor.3, 1-3). Zwar gläubig – aber letztlich noch vom verdorbenen, rebellischen, stolzen und verletzten, alten Menschen beherrscht. Jona entspricht dem Wesen nach einem (begabten) „christlichen“ Egoisten mit allen typischen Erscheinungsformen.

Er erhielt den Auftrag, Ninive, die Hauptstadt des damals für seine Brutalität bekannten, assyrischen Weltreiches, vor dem Gericht Gottes zu warnen. Seine Reaktionen waren: Angst, Panik und Flucht. Ein Grund wird später im Dialog mit Gott ersichtlich: Ihm war klar, dass sich Gott schließlich über Ninive erbarmen und er deshalb mit seiner Gerichtsankündigung das „Gesicht verlieren“ würde (Jona 4, 1-2). Obwohl er anscheinend Gott kannte, unternahm er anschließend den völlig lächerlichen Versuch, sich vor Gott und seinem Auftrag mit einer Schiffsreise zu verdrücken. Er hätte aber wissen müssen, dass dies unmöglich ist (Ps.139, 7-12). Kaum auf dem Schiff, wird er prompt eingeholt – u. a. mit miserablen Auswirkungen auf die „Ungläubigen“. Durch seinen Ungehorsam, Stolz und seine Rebellion brachte er alle ihn umgebenden Weltmenschen in höchste Lebensgefahr – genau wie jeder fleischliche Christ (Jona 1, 4)! Schließlich konnten sich die „Ungläubigen“ nur dadurch retten, dass sie Jona ins Meer „entsorgten“ (V. 15). Dabei bekamen sie Gottesfurcht und Gotteserkenntnis (V. 16).

Nun begann Gottes Therapie und Seelsorge am Herzen und Wesen (Charakter) Jonas. Tatsächlich sollte er genau das erleben, was der Herr Jesus Christus später vollzog und seinen zukünftigen Brüdern bereitstellte: Die Mitkreuzigung und den Tod des durch und durch verdorbenen und gefallenen, alten Menschen und die völlige Neuwerdung in Christus. Deshalb dauerte der „Fischaufenthalt exakt drei Tage. Angesichts der furchtbaren Zustände im Magen des Fisches war er bereit, umzukehren und sich vor seinem Gott zu demütigen. Der HERR bewies seine Treue und sein Erbarmen und gab Jona eine zweite Chance. Als er ans Ufer ausgespuckt wurde, musste er vermutlich furchtbar ausgesehen haben (Wirkungen der zersetzenden Magensäfte im Fisch etc.). Man müsste meinen, dass diese Therapie (und das Wunder) gereicht haben, um seinen Charakter zu verändern.

Immerhin führte Jona anschließend seine Sendung korrekt aus (Jona 3, 2-4). Doch dann geschah genau das, was Jona befürchtet hatte. Ganz Ninive inklusive der König kehrten um. Gott erbarmte sich und verschonte die ganze Stadt. Die Reaktion Jonas zeigt nun seinen ganzen verlogenen Charakter – eben sein Fleisch (Gal.5, 19-21Röm.7, 18; 8, 6-8). Statt sich zu freuen, dass 120‘000 Menschen vor dem Gericht bewahrt wurden, geriet er in Zorn. Heraus kamen eine menschenverachtende Hartherzigkeit, ein erbarmungsloser und gefühlsloser Charakter, ohne natürliche Liebe zum Verlorenen (Röm.1, 31; 2.Tim.3, 3). Er fühlte sich nur in seiner Prophetenehre angekratzt. Denn er meinte, blöd dazustehen, weil Ninive nicht dem Erdboden gleich gemacht wurde. Seine volle Egozentrik wird offenbar. Es ging ihm letztlich nur um ihn, seine Ehre, seinen Erfolg, sein Image und seine Profilierung. Er hatte – unter dem Druck der Umstände („Fischaufenthalt“) seine Mission (zähneknirschend) ausgeführt, aber als Prophet letztlich völlig versagt. Die Geschichte endet deshalb auch ohne jede weitere Erwähnung, wie sich sein Leben weiterentwickelte.

Weil Gott treu ist (1.Kor.1, 9; 10, 13; 2.Kor.1, 18), versuchte Er ein letztes Mal, Jona zu therapieren, und zwar mit einem übernatürlich gewachsenen Schattenspender. Luther übersetzt ihn mit „Rizinus“, die Elberfelder Bibel mit „Wunderbaum“. Die Therapie war genial aufgebaut. Gott bereitete Jona eine große Freude (Jona 4, 6). Er war ja nach anscheinend gescheiterter Mission deprimiert, missmutig, griesgrämig, rebellisch etc. Der Rizinus änderte auf einen Schlag alles. Sein hartes, egozentrisches Herz war plötzlich hocherfreut. Nun ließ sich wieder gut leben, und vermutlich hoffte er insgemein, dass Ninive doch noch zugrunde ging (V. 5).

Dem war nicht so. Vielmehr nahm Gott den Schattenspender weg (V. 7). Das brachte das Fass (Herz) zum Überlaufen. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über (Mt.12, 34 Luther). Am Schluss wird der ganze Herzenszustand Jonas offenbar. Persönliche Vorteile waren ihm viel wichtiger, als 120‘000 Menschen. Rizinus gegen 120‘000 Menschen – man stelle sich diese Relation vor! Genau so sind aber fleischliche Christen oder religiöse Egoisten. Es geht am Ende immer nur ums eigene Ich, die eigenen Vorteile, vor den Menschen gut dastehen wollen usw. Auf die Ewigkeit bezogen ist diese Haltung aber eine totale Katastrophe. Deshalb ist die Gesinnung des Fleisches der Tod (Röm.8, 6). Wie sollte so jemand einst in Gottes heilige Gegenwart treten wollen?

„Fisch“, „Rizinus“, die (temporäre) Erweckung in Ninive – also die Wunder Gottes – hatten Jona nicht die Augen geöffnet und ihn auch nicht verändert. Er zog es vor, weiterhin zu rebellieren, sich zu bemitleiden und letztlich Gott zu beschuldigen. Die „Kreuzeserfahrung“ im Fisch hatte ihm nichts gebracht. Wie er endete, erwähnt Gottes Wort nicht. Jona wurde zwar von Gott als Prophet gebraucht, um Ninive zur Busse zu führen und eine Erweckung auszulösen. Aber letztlich wurde er vermutlich trotzdem verworfen, weil sein Charakter nicht mit dem Wesen Christi übereinstimmte (Mt.7, 21-23).

Das Zeichen des Jonas hätte die Juden wecken und alarmieren sollen. Aber sie waren blind. Ebenso müsste uns heute das ganze Kreuzeswerk Christi in seiner wahren, tiefen Bedeutung die Augen öffnen – und erneut achten die meisten gläubigen Christen nicht auf das Zeichen des Jona. Leider wiederholt sich damit die Geschichte in seiner ganzen Tragik.


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