Siehe, der Mensch! – Joh.19,5
Es ist eine bekannte Tatsache, dass so genannte „ungläubige“ Weltmenschen geistliche Zusammenhänge oft schneller erfassen, als die „Gläubigen“. So erkannte der römische Statthalter Pontius Pilatus – zweifellos ein „Ungläubiger“ – dass Jesus Christus unschuldig war (Joh.18,38; 19,4;6) und dass er von den „gläubigen“ Juden aus Neid überliefert wurde (Mt.27,18).
Anschließend präsentierte er dann dem Volk den Herrn Jesus Christus und machte diesen grandiosen Ausruf, der wegen seiner Kürze meist überlesen wird: „Siehe, der Mensch!“ (Joh.19,5) Normalerweise hätte dieser Ausspruch anders heißen müssen – beispielsweise: „Seht euch diesen Menschen an!“ Doch Pilatus sprach hochgradige prophetische Worte aus, ohne auch nur im Geringsten etwas davon zu realisieren. Es ging hier nicht um irgendeinen Menschen, sondern um „denMenschen, also um einen absolut einzigartigen Menschen. Im heutigen Wortgebrauch könnten wir auch sagen, dass es sich eigentlich um den „Prototypen“ des Menschen überhaupt handelte.
Als Gott den Menschen erschuf, besaß Er eine klare Zielvorstellung: Der Mensch sollte zu Seinem Gegenüber werden, mit dem Er eine Liebesgemeinschaft pflegen konnte und den Er mit Verwaltungsfunktionen betreuen wollte. Er nannte den ersten Menschen „Adam“, was so viel heißt, wie aus Erde gemacht. Um seine Loyalität zu prüfen, gab ihm Gott Aufgaben, Gebote und Verbote. Prüfungsmittel war der „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ im Garten Eden (1.Mo.2,17). Als „Prüfungsexperte“ war die „Schlange“ zuständig (1.Mo.3,1-5). Der erste Mensch – inzwischen in zwei eigenständige Persönlichkeiten aufgeteilt (Adam und Eva) – fiel durch den Test und verlor praktisch alle Privilegien (Position, Funktion, Anspruch auf ewiges Leben etc.). Der Mensch hatte seine himmlische Berufung verloren und wurde aus der Liebesgemeinschaft mit seinem Erschaffer ausgeschlossen. Die Folge war die bisherige Menschheitsgeschichte, geprägt von Chaos, Elend, Zerstörung, Krankheit, Tod etc. Der erste „Adam“ hatte total versagt, und damit wäre das Thema „Mensch“ im Prinzip gelaufen gewesen.
Doch dann sandte der ewige Gott und Vater nochmals einen Menschen, den Er selber „gezeugt“ hatte – Seinen geliebten und einzig gezeugten Sohn Jesus Christus. Paulus bezeichnet Ihn u. a. als den „neuen Menschen“ (Eph.2,15; 4,24), den zweiten Menschen (1.Kor.15,47) oder den letzten Adam (1.Kor.15,45). Er ist der Mensch Jesus Christus: Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus (1.Tim.2,5) – oder in Röm.5,15 der eine Mensch Jesus Christus, von dem die Gnade kommt.
Bevor klar war, ob Jesus Christus nun der perfekte, von Gott geschaffene Mensch sei und für Gottes ewiges Werk in Frage kommen würde, musste auch Jesus Christus geprüft werden. Dies geschah in einem ersten Schritt in der Versuchung in der Wüste (Mt.4,1-11) und dann v. a. in Gethsemane (Mt.26,36-46). Erneut war Satan der „Prüfungsexperte“. Jesus Christus bestand jeden Test, überwand die „Schlange“ und wurde dadurch zu dem Menschen.
Der Herr Jesus Christus trägt in sich sämtliche Eigenschaften in einer einzigartigen Perfektion, die der ewige Gott vom Menschen erwartet: Heiligkeit, Gerechtigkeit, Sündlosigkeit, Vollkommenheit usw. So stellt sich der HERR also den Menschen vor; so will Er ihn vor und bei sich haben. Und so setzt Er ihn für Seine ewigen Verwaltungsfunktionen in Seiner Schöpfung, dem sichtbaren und unsichtbaren Universum etc. ein. Einen anderen Menschen duldet Gott niemals in Seiner heiligen Gegenwart. Weil Er heilig ist, muss auch der Mensch heilig sein, wenn er in Seiner Gegenwart bestehen will: Sondern wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr im ganzen Wandel heilig; denn es steht geschrieben: Seid heilig, denn ich bin heilig (1.Pt.1,15-16). Und er muss in gleicher Weise gerecht und vollkommen sein wie Jesus Christus selber (Mt.5,48; Kol.1,28-29). Weil der erste Adam diese Eigenschaften verlor, wurde ihm auch die Rückkehr ins „Paradies“ verweigert (1.Mo.3,24).
Mit anderen Worten: Jesus Christus ist die göttliche Vorgabe für diejenigen Menschen, die in den „Himmel“ kommen wollen! Genauso muss ein Mensch sein, und genauso muss der Mensch vor seinem Gott eintreffen und antreten. Jeder Mensch, der nicht das Leben, das Wesen und die Lebenseigenschaften von Jesus Christus besitzt, ist ausgeschlossen vom Eingang ins Himmelreich, vom ewigen Leben und den ewigen Verwaltungsfunktionen in Gottes Schöpfung. Ergo muss ein Mensch werden, wie der Mensch“! Der ewige Gott duldet nur Seinen Sohn in Seiner heiligen Gegenwart, plus Menschen, die wie Sein Sohn – der Mensch – sind.
Doch wie soll das praktisch zugehen, wird sich jeder aufrichtige Nachfolger des HERRN fragen. An diesem Punkt setzt das wahre Evangelium des Christus ein, wie es dem Apostel Paulus enthüllt wurde. Oberflächlich gesehen könnte man einfach sagen: Der Mensch muss an Jesus Christus glauben, dann geschieht praktisch alles wie von selbst. Doch das ist letztlich ein fataler Fehlschluss, weil für die meisten völlig unklar ist, was unter „Glauben“ zu verstehen ist – und v. a., wie er korrekt angewendet wird.
Damit biblischer Glaube praktiziert werden kann, müssen zuvor Voraussetzungen oder Tatsachen geschaffen worden sein, auf die er sich stützen kann. Am Kreuz setzte der ewige Gott jeden Menschen in den Menschen Jesus Christus, Seinen Sohn, ein. Er identifizierte jeden Menschen mit dem gesamten Werk Christi, und übertrug jedem Menschen – objektiv gesehen oder prinzipiell aus Seiner Sicht – das gesamte Leben von Jesus Christus mit all Seinen herrlichen Lebenseigenschaften. Er setzte den Menschen in Christus ein – oder Christus in den Menschen ein. Dadurch übertrug Gott dem Menschen z. B. die Heiligkeit und Gerechtigkeit Christi (1.Kor.1,30) – oder die Vollkommenheit Christi (Kol.1,28). Wohlgemerkt: Das war Gottes Handeln am Menschen in und durch Seinen Sohn Jesus Christus. Doch praktisch gehören diese unfassbaren Tatsachen keinem einzigen Menschen. Es existiert nur ein einziger Weg, sie konkret zu erfahren: Man holt jede einzelne in Christus, dem Menschen, geschaffene Tatsache durch den kindlichen Glauben ab. Und dieser Vorgang nennt sich: an Jesus Christus glauben!
Jesus Christus – der Mensch Gottes – ist also Gottes Vorgabe. Objektiv gesehen hat der himmlische Vater durch das Werk Seines Sohnes jeden Menschen in Christus eingesetzt und ihm damit alles übertragen, was in Christus ist. Nun muss der Mensch aber ganz in Christus hineinkommen und in Christus sein und bleiben. Dadurch wird er durch das Werk des Heiligen Geistes im Rahmen der Heiligung in das Bild Jesu umgestaltet, wodurch immer mehr das Leben und die Lebensqualitäten von Jesus Christus in diesem glaubenden Menschen offenbar werden. Menschen, die in Christus sind und bleiben und in der Heiligung konsequent weiterschreiten, werden Jesus Christus – dem Menschen – am Ende gleich sein: Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist (1.Joh.3,2). Dann sind alle Menschen in Christus dem Menschen Jesus Christus gleich. Genial, nicht wahr!
Zum Schluss noch ein tiefsinniges Detail zum Begriff „Mensch“. Das griechische Wort heißt antropos. Übersetzt man die einzelnen Wortteile, ergibt sich folgende wortwörtliche Übersetzung: hinauf-gewandt-Schauender! Jesus Christus war völlig auf Seinen Vater ausgerichtet und mit Ihm eins. Menschen in Christus, die also mit dem Menschen vereinigt leben, tun exakt das Gleiche und erfüllen so die göttliche Berufung für den Menschen: völlig auf den Vater und den Herrn Jesus Christus ausgerichtet leben. Das ist Berufung und Schicksal des Menschen – in Jesus Christus, dem Menschen!
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