Ich lebe im Glauben, und zwar im Glauben des Sohnes Gottes – Gal.2,20
Dieser Vers enthält eine geistliche Herrlichkeit, deren Konsequenzen für unseren praktischen Alltag fast unfassbar sind. Er ist Teil des zentralen Geheimnisses des Wortes Gottes, nämlich des Geheimnisses des Christus. Das Wesen eines Geheimnisses ist bekanntlich, dass es vielen verborgen ist. Es kann nur durch den Heiligen Geist enthüllt und verständlich gemacht werden. Deshalb ist auch das Leben im Glauben des Sohnes Gottes Teil dieser göttlichen Offenbarung an Seine Auserwählten.
Das Problem bei diesem Vers kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass er meist falsch übersetzt wird. Die Begründung dafür ist, dass die Übersetzer augenscheinlich das Geheimnis des Christus nicht erkannt haben und konsequenterweise noch unter dem Gesetz (der religiösen Leistung) lebten.
Sehen wir uns zunächst die übliche Übersetzung an: Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes. Gemäß dieser Darstellung lebt auf der einen Seite ein „Gläubiger“ auf dieser Erde, der an den Sohn Gottes glaubt, welcher sich jedoch an einem anderen Ort befindet, beispielsweise im „Himmel“. Diskussionslos wird dadurch der vermeintliche Glaube zur religiösen Leistung, der zudem völlig abhängig ist vom Ausmaß der Leistung eines „Gläubigen“. Weil nämlich jeder ein anderes Maß an Glauben besitzt (Röm.12,6), wirkt sich das folglich auch auf den Glauben an Jesus Christus aus. Wer viel glaubt, erhält dann viel. Wessen Glaube aber angeschlagen ist, der geht möglicherweise leer aus. Also wird der Glaube zur Leistung – ein Unsinn in sich selber, weil sich Glaube und Leistung gegenseitig geradezu ausschließen. Wer so denkt und „glaubt“, hat das Prinzip des Glaubens nicht begriffen.
Und wie lautet das Prinzip des Glaubens im Neuen Bund (Testament)? Der Herr Jesus Christus hat durch Sein Leben und Seinen Glauben eine Fülle von herrlichsten Tatsachen geschaffen, zu denen kein einziger Mensch auch nur annähernd im Stand wäre. Im Nahzusammenhang des Galaterbriefes geht es beispielsweise um Gottes Gerechtigkeit – respektive die Gerechtigkeit, die der Mensch bei Gott vorweisen muss, um vor Ihm bestehen zu können. Durch Sein Leben und Sterben hat uns Jesus Christus Seine Gerechtigkeit, d. h. Sein gerechtes und heiliges Leben, geschenkt. Und das war ein reiner Akt Seines Glaubens. Diese in und durch Jesus Christus geschaffene Tatsache können wir nun niemals durch gesetzliche Werke selber erzeugen – wir können sie nur glauben, also im Glauben abholen. Folglich holen wir durch den kindlichen Glauben immer das ab, was uns Jesus Christus durch Seinen Glauben zuvor erworben hat – z. B. die Gerechtigkeit, die allein vor dem ewigen, gerechten Gott gilt. Das ist sowohl das Prinzip des Glaubens als gleichzeitig auch das Prinzip der wahren Gnade – denn Glaube und Gnade laufen immer parallel. Jetzt verstehen wir auch den Sinn von Gal.2,21: Ich mache die Gnade Gottes nicht ungültig; denn wenn Gerechtigkeit durch Gesetz [kommt], dann ist Christus umsonst gestorben. Gottes Gerechtigkeit erhält man nur durch Glauben – durch ein Leben im Glauben des Sohnes Gottes! Der Herr Jesus Christus hat sie uns im Glauben durch Sein Sterben erworben – wir holen sie ab durch unseren persönlichen Glauben.
Sehen wir uns nun den kompletten Vers 20, richtig übersetzt an – denn zum richtigen Verständnis benötigen wir den gesamten Inhalt: Zusammen [mit] Christus bin ich gekreuzigt; ich lebe aber, [doch] nicht mehr ich, sondern in mir lebt Christus. [Was] ich aber [von] nun [an] i[m] Fleisch lebe, [das] lebe ich i[m] Glauben, dem des Sohnes Gottes, der mich liebt und sich selbst für mich dahingegeben hat. Aus Gottes Sicht ist der Mensch seit Golgatha mit Jesus Christus zusammen gekreuzigt. Das ist eine objektive Tatsache – durch den Glauben von Jesus Christus geschaffen. Also liegt sie seit Golgatha zum Abholen bereit. Und göttlich geschaffene Tatsachen in Christus kann man nur noch durch den persönlichen Glauben abholen. Ein anderer Weg existiert nicht mehr. Nimmt nun ein Mensch Jesus Christus als sein Leben an, nimmt er gleichzeitig auch die Tatsache der Mitkreuzigung seines alten, total verdorbenen Menschen an. Physisch und psychisch leben wir zwar von unserer herkömmlichen Existenz her weiter. Das meint Paulus mit: „Was ich aber von nun an im Fleisch lebe …“ Aber geistlich gesehen lebt nun in Wahrheit Jesus Christus in uns. Und durch Seine Anwesenheit in unserem sterblichen Fleisch hält Er unseren alten Menschen im Todeszustand – er ist mitgekreuzigt (2.Kor.4,10-11).
Das weitere Leben in unserem (sterblichen) Fleisch ist nun aber ein Leben im Glauben. „Glauben“ heißt: Wir stützen uns ständig auf Gottes Ratschlüsse und Verheißungen, v. a. auf alle in und durch Jesus Christus geschaffenen Tatsachen, die Er uns durch Seinen Glauben erworben und bereit gestellt hat (2.Kor.1,20). So halten wir an folgenden Tatsachen fest: Seine lebendige Anwesenheit in unserem Fleisch; Seine innewohnende Gerechtigkeit und Heiligkeit (1.Kor.1,30); die durch Seine Anwesenheit gewirkte Auferstehungskraft (Phil.3,10), Liebe (Eph.3,19) etc. Ein wahrhaft glaubender Mensch dankt dem HERRN ständig für diese Tatsachen – denn nur so werden sie in die reale Existenz gerufen und wirken sie sich auch im Alltag tatsächlich aus.
Doch Gal.2,20 enthält noch eine viel herrlichere Tatsache, nämlich den wahren Antrieb unseres Glaubens. Normalerweise werden „Christen“ immer angehalten, alles Mögliche (und Unmögliche!) zu glauben. Wohl dem, der diesen Glauben hat – aber meist hat man ihn genau dann nicht, wenn es brenzlig wird. Doch in Wahrheit schreibt Paulus, dass wir durch unseren persönlichen Glauben (und wenn er auch noch so klein und bescheiden ist, wie ein Senfkorn) im Glauben des Sohnes Gottes leben sollen. Ob ich nun in meinem vielleicht erbärmlichen Glauben – oder im Glauben von Jesus Christus leben soll – ist doch ein totaler Unterschied. V. a. kann ich durch meinen Glauben niemals das erzeugen, was der HERR durch Seinen Glauben bereits bewirkt hat. Als eindrückliches Beispiel dafür dient die Begründung von Petrus, weshalb der Gelähmte geheilt wurde: Und durch den Glauben an seinen Namen hat sein Name diesen, den ihr seht und kennt, stark gemacht; und der durch ihn [bewirkte] Glaube hat ihm diese vollkommene Gesundheit gegeben vor euch allen (Apg.3,16).
Nehmen wir zur Illustration einen einfachen Vergleich: Was ist anstrengender: Zu Fuß auf einen Berg zu steigen, oder dafür eine Schwebebahn zu benutzen? Der HERR erwartet von uns, dass wir ganz in Ihm sind, leben und bleiben. Und dann befinden wir uns auch in allem, was Er durch Seinen Glauben erworben hat. Folglich ist wahrer Glaube niemals von Jesus Christus zu trennen. Sind wir wirklich in Jesus Christus – oder lebt Jesus Christus in Wahrheit in uns – dann glaubt Er auch in und durch uns. Das macht im Alltag eben den ganzen Unterschied aus. Wer im Glauben des Sohnes Gottes lebt – durch seinen persönlichen Glauben an Jesus Christus – kann förmlich zusehen, wie Jesus Christus sein Umfeld liebt, Seine Werke wirkt (Joh.14,12), Seine Lebensströme aus dem Leibe fließen (Joh.7,38-39), Seine Auferstehungskräfte wirken (Phil.3,10) usw. usw.
In Mk.11,22 sagte der HERR schließlich wörtlich: Habt Gottes Glauben! Nun verstehen wir den tiefen Sinn dieses Befehls. Der Herr Jesus Christus sagt uns: Lebt und bleibt in mir – in meinem Glauben – und ich werde durch euch glauben und all das sichtbar bewirken, was ich am Kreuz durch meinen Glauben bereitgestellt habe. Das ist das Geheimnis des Christus, das Geheimnis des Glaubens – das wahre Evangelium des Christus!

Dieses Thema können Sie sich auch in einem ausführlichen Vortrag als MP3 anhören oder herunterladen.
Wir verwenden Cookies um Ihnen eine nutzerfreundliche Webseite zur Verfügung zu stellen.
Näheres finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.