Überarbeiteter Vortrag Nr. 5208 als HTML-Text
Wir leben in einer Zeit der Inflation von Werten und Worten. Wie man sich z.B. beim Wort "Liebe" heute alles Mögliche vorstellt, so auch beim Begriff "Christ" oder "christlich". Woher kommen diese Begriffe, wer hat sie geprägt und entsprechen sie tatsächlich göttlichen Absichten?
Diesen Fragestellungen wollen wir nachgehen. Dabei werden wir entdecken, dass ein totaler Unterschied besteht zwischen einem "Christen" und einem Menschen in Christus, so provokativ sich dies auch im Moment anhören mag. Es ist für Sie jedoch von absoluter und entscheidender Bedeutung, sich mit dieser Gegenüberstellung auseinander zu setzen, denn zwischen einem "Christen" und einem Menschen in Christus ist tatsächlich ein Unterschied wie zwischen Nacht und Tag. Wie ich nachweisen werde, können Sie nämlich die göttliche Zielsetzung für Ihr Leben, nämlich Ihre persönliche Vollendung und das Erreichen Ihrer ewigen Berufung nur dann erreichen, wenn Sie tatsächlich ein Mensch in Christus geworden sind.
Drei Begriffsklärungen
1. die Begriffe "Christ" oder "christlich"
Um die entscheidenden Unterschiede sorgfältig herauszuarbeiten, ist es notwendig, drei wesentliche Begriffe vom Grundtext her korrekt darzustellen. Den ersten Begriff, den wir uns ansehen, ist das Wort "Christ". Um es gleich vorwegzunehmen: Der Herr Jesus Christus hat niemals dazu aufgefordert, dass Menschen "Christen" werden oder dass sie so heißen sollen! Das dürfte Sie voraussichtlich sehr erstaunen. Doch weiter: Der HERR hat nie angewiesen, dass wir Mitglied irgendeiner "christlichen" Kirche werden sollten. Ebenso wenig haben wir "christliche" Kirchen zu gründen. Das alles kommt uns aber vom herkömmlichen Verständnis her absolut selbstverständlich vor – und das soll falsch sein?
Es kommt noch dicker: Wer immer nämlich so denkt oder handelt, hat die ewigen Ratschlüsse Gottes überhaupt nicht verstanden! Alle diese Bezeichnungen und Aktivitäten sind letztlich nichts anderes als der Ausdruck der ganzen weltweiten babylonischen Verwirrung, in welcher wir alle drinstehen, vor allem im Rahmen des so genannten christlich-denominationellen Systems.
Eine im deutschen Sprachraum verwendete Konkordanz definiert den Begriff "Christ" wie folgt: "Christ, griechisch christianos, ist eine verächtliche Bezeichnung für Nachfolger Christi aus der Beschneidung". Erstaunlicherweise – oder vielleicht logischerweise finden wir im Neuen Testament nur drei Erwähnungen des Begriffes "Christ". Ich zitiere als Erstes Apg.11,26: Es geschah ihnen aber, dass sie ein ganzes Jahr in der Gemeinde zusammenkamen und eine zahlreiche Menge lehrten, und dass die Jünger zuerst in Antiochia Christen genannt wurden. Dann weiter Apg.26,28: Agrippa aber sprach zu Paulus: In kurzem überredest du mich, ein Christ zu werden. Paulus aber sprach: Ich möchte zu Gott beten, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche werden wie auch ich bin, ausgenommen diese Fesseln. Und die letzte Erwähnung, 1.Pt.4,15: Denn niemand von euch leide als Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder als einer, der sich in fremde Sachen mischt; wenn er aber als Christ (leidet), schäme er sich nicht, sondern verherrliche Gott in diesem Namen!
Die beiden ersten Erwähnungen zeigen eindeutig die Perspektive der Welt, d.h. die Welt definierte und verwendete den Begriff "Christ" für die Nachfolger des HERRN. Im dritten Zitat ist ein Prinzip gemeint, d.h. die Welt mit ihren Machenschaften setzt die Jünger Jesu unter Leidensdruck. Aus der Perspektive der Welt sind Nachfolger Jesu eben "Christen". Petrus aber bezieht sich zweifellos auf den Namen Jesus Christus.
2. Wie wird man ein Christ?
Diese Fragestellung ist sehr tiefgreifend. Grundsätzlich lässt sie sich nach herkömmlichem Verständnis auf zwei Wegen beantworten. Die eine Variante ist grundsätzlich falsch und die andere steht zumindest auf "schwachen Beinen".
2 a) Die Haltung der Volks- oder Landeskirchen.
Christ wird man ganz einfach durch Vererbung. Sind die Eltern evangelisch oder katholisch – oder je evangelisch und katholisch, so werden die Kinder automatisch in die gleiche Kirche hineingeboren. Nach katholischem Verständnis muss dann eine schnelle "Kindertaufe" folgen, denn nur dadurch wird ein Kleinkind Mitglied der Kirche, ist es gerettet oder eben ein katholischer "Christ". Die sakramentale Handlung der Kirche und der nachfolgende Besitz eines christlichen Taufscheins macht folglich einen Menschen zum "Christen". Wer sich dem vollständigen Wort Gottes verpflichtet weiß, wird problemlos feststellen, dass dieses Vorgehen und Selbstverständnis jeglicher biblischen Grundlage entbehrt. Direkt gesagt handelt es sich um reines kirchlich-denominationelles Machtdenken und ist Ausdruck der gesamten babylonischen Religionsverwirrung unserer Tage. Jemand brachte den Irrtum in einem Satz auf den Punkt: Gott hat keine Enkelkinder, Er hat nur Kinder. So lautet also das volks- oder landeskirchliche Verständnis vom Christwerden und Christsein.
2 b) Die evangelikal-fundamentalistische Ansicht.
Biblisch orientierte christliche Kreise sehen den Ablauf zum Christwerden wie folgt: Ein Mensch muss sich bekehren. Er hat Jesus Christus als Erlöser anzunehmen und wird in der Folge gerettet und "Christ". Anschließend muss dieser "bekehrte Christ" Mitglied einer christlichen Kirche oder Freikirche werden und bestimmte "christliche" Aktivitäten vollziehen.
Natürlich enthalten diese Anweisungen biblische Wahrheiten – sie werden jedoch unvollständig bis falsch angewendet. Auf einen Nenner gebracht handelt es sich bei diesem Vorgehen um menschlich-religiösen Aktivismus: Der Mensch muss bestimmte religiöse Handelungen vollziehen, um "Christ" zu werden. Dahinter sind massive Gefahren eingebaut, die einen willigen Menschen auf völlig falsche Wege treiben können. Darauf will ich aber aus Platzgründen im Rahmen dieser Ausführungen nicht näher eingehen.
Befragt man nun das Neue Testament unvoreingenommen zu unserer Thematik, findet ein aufrichtig suchender Mensch in kurzer Zeit wesentlich tiefere und geistliche Anweisungen. Sie alle bündeln sich auf ein ganz bestimmtes Ziel: Um nach der Meinung unseres HERRN tatsächlich ein "Christ" zu werden, muss ein Mensch in Christus erfunden werden (Phil.3,8-9)! Und das ist definitiv etwas völlig anderes. Nicht christlich-religiöser Aktivismus macht uns zum "Christen" und damit ewigkeitstauglich, sondern einzig und allein die Tatsache, dass wir schließlich in Christus erfunden (oder: gefunden) werden. Doch bei dieser Feststellung handelt es sich um ein Geheimnis, und das macht die Frage nach dem "Christwerden" so anspruchsvoll. Biblische Geheimnisse lassen sich nicht durch Intelligenz, Logik oder theologisches Wissen und Ausbildung knacken, sondern ausschließlich durch die Wirkung göttlicher Gnade. Göttliche Geheimnisse können uns nur durch den Heiligen Geist dargestellt werden (1.Kor.2,10-14). Fehlt uns dieses göttliche Offenbarungswerk Seines Geistes, landen wir automatisch in einer Fehlentwicklung- z.B. rund um den Begriff "Christ".
3. Der Aufbau des Neuen Testamentes
Wir klären nun abschließend die Frage, wie das Neue Testament in Bezug auf unsere Fragestellung überhaupt aufgebaut ist. Diese möglicherweise unverständliche Überlegung bringt uns jedoch aus einer gewissen Distanz betrachtet in eine höchst interessante Logik im Aufbau des Neuen Testamentes hinein.
Tatsächlich besteht das Neue Testament eigentlich aus zwei sehr unterschiedlichen Blöcken. Den einen Block würde ich als geistliche "Milch" bezeichnen (1.Kor.3,2; Heb.5,12-13). In diesem Block finden wir das einfache biblische Evangelium, d.h. die Grundlagen des Evangeliums von Jesus Christus. Zu finden sind sie in den vier Evangelien und im Praxisvollzug in der Apostelgeschichte. Was lernen wir dort? Die vier Schreiber zeigen uns, wer Jesus Christus ist, wie Er auf dieser Erde gelebt und gehandelt hat, was Er gelehrt hat, wie man zum Glauben kommt, wie man errettet wird und in der Folge ewiges Leben erhält. In der Apostelgeschichte folgt dann die praktische Anwendung in der ersten Gemeindephase über einen Zeitraum von vielleicht 35 Jahren. Doch in diesen fünf Büchern werden Sie vergeblich nach Anweisungen suchen, wie man sich z.B. das herrliche Überwinderleben von Jesus Christus tatsächlich und praktisch aneignet.
Um diese Aussage klar zu machen, verwende ich ein einfaches Beispiel – die Frage nämlich, wie ein Mensch vollkommen in Christus wird (Kol.1,28). Immerhin weist uns der Herr Jesus Christus in Mt.5,48 an, dass wir so vollkommen sein sollen, wie unser himmlischer Vater vollkommen ist. Natürlich kennt der übliche Bibelleser diese Anweisung – nur wo in den vier Evangelien und in der Apostelgeschichte wird beschrieben, wie man nun tatsächlich zur Vollkommenheit des Vaters gelangt? Sie werden vergeblich danach Ausschau halten – weil es in diesen erwähnten fünf Büchern der Bibel schlicht nicht zu finden ist. Doch wo müssten wir die Suche fortsetzen?
Zur Beantwortung unserer Frage gelangen wir nun zum zweiten Block des Neuen Testamentes. Und woraus besteht dann der Rest des Neuen Testamentes? Aus Lehrbriefen (mit Ausnahme der Offenbarung von Jesus Christus, die eine indirekte Erfüllung unserer Fragestellung darstellt). Wer sich nun mit den Lehrbriefen der Apostel im Neuen Testament auseinandersetzt, wird schnell herausfinden, dass diese wesentlich anspruchsvoller sind, als die vier Evangelien und die Apostelgeschichte. Letztere bestehen aus äußerer Dynamik und herrlichen Erfahrungsinhalten, während die Lehrbriefen vergleichsweise "trocken" und z.T. "langatmig" wirken. Daher dienen sie den meisten "Christen" üblicherweise nur als Orientierungshilfe für gesetzliche Anweisungen. Wie geht das genau mit dem "Mahl des HERRN" (Abendmahl)? Was steht zum Thema "Kopfbedeckung" der Frau? Wie ist die Stellung der Frau in der Gemeinde? Um was geht es bei den so genannten "Geistesgaben"? Was ist die "Entrückung", die "erste Auferstehung" usw. usw.?
Natürlich stehen auch viele interessante Dinge in den Lehrbriefen, doch den meisten dienen die Lehrbriefe nur als Fundgrube für Rezepte, gesetzliche Anweisungen und ähnlichem. Die meisten Bibelleser bleiben irgendwo in den Lehrbriefen hängen und können nur schwerlich Inhalte begreifen und nachvollziehen. Sie repräsentieren gemäss dem Hebräerbrief eben so genannte feste Speise (Hebr.5,12-14). Die vier Evangelien und die Apostelgeschichte entsprechen gut verdaulicher Milchnahrung – nicht aber die Lehrbriefe, die schnell einmal "Verdauungsstörungen" verursachen können, wenn man sie nicht durch den Heiligen Geist liest und versteht.