Das Geheimnis des Christus
Wir gehen nun der Frage nach, worin der Unterschied zwischen einem "Christen" und einem Menschen in Christus ist. Inzwischen ist klar geworden, dass wir zur Beantwortung dieser Frage das Geheimnis des Christus verstehen müssen. Naturgemäß lässt sich aber ein Geheimnis nicht einfach so schnell knacken, weil es eben ein Geheimnis ist. Es kann nicht verstandesmäßig durch ein Buch oder einen Vortrag begriffen werden. Der einzige Weg besteht vielmehr darin, dass es uns durch den Heiligen Geist persönlich enthüllt wird. Dazu bewegen wir uns auf einem Anmarschweg. Wesentliche Voraussetzung ist vorerst einmal unsere Aufrichtigkeit, ansonsten gleich zu Beginn alles blockiert wird.
Ein aufrichtiger "Christ" verhält sich anfänglich stets gleich: Er versucht (aus eigener Kraft) mit allen Mitteln das Wort Gottes umzusetzen. Beispielsweise will er dem Herrn Jesus Christus nach bestem Wissen und Gewissen nachfolgen und Seinen Willen tun. Weil er den HERRN liebt, möchte er natürlich immer mehr wie Jesus Christus werden , d.h. immer heiliger, vollkommener usw.. Dadurch gerät er ungewollt und unmerklich in den religiösen Aktivismus. Damit ist der Schiffbruch bereits vorprogrammiert, denn er befindet sich längst auf dem Weg des Gesetzes und gehorcht damit der Stimme des Alten Testamentes. Zweifellos ist alles gut gemeint, doch das Ziel kann auf diese Weise unmöglich erreicht werden.
Gehen wir zur praktischen Illustration zurück zur weiter oben erwähnten Stelle in Mt.5,48 (Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist). Der aufrichtige "Christ" wird nun alles unternehmen, um diesem Befehl Folge zu leisten. Er nimmt die Anweisung ernst und verzichtet auf faule Ausreden. Irgendwann wird er stranden, weil er feststellen wird, dass er aus sich heraus niemals vollkommen werden kann – es ist absolut unmöglich! Wie sollte auch ein völlig verdrehter, gefallener Mensch so vollkommen wie der himmlische Vater werden können! Auf diese Weise endet also der aufrichtige "Christ" in seinen "christlichen" Bemühungen, das Wort Gottes umzusetzen.
Der Ausweg
Gibt es aus der Falle des Gesetzes einen Ausweg? Kann ein Mensch überhaupt Gottes Ziele erreichen? Selbstverständlich! Ich zitiere dazu eine herrliche Stelle – natürlich aus dem Epheserbrief des Paulus, der in drei Versen alles klar macht. Eph.2,8-10: Denn aus Gnade seid ihr errettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme. Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott zuvor vorbereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.
In diesen drei Verse ist bereits das Geheimnis des Christus vollständig enthalten. Wir erkennen darin auch unschwer den falschen und den richtigen Weg. Weshalb muss ein aufrichtiger Christ Schiffbruch machen, wenn er damit beginnt, das Wort Gottes auszuführen? Weil sein Hauptproblem nicht gelöst ist! Und dieses heißt: die alte, gefallene Natur, die total unter die Sünde und damit an Satan versklavt ist. Solange dieses Problem nicht ganz praktisch gelöst ist, wird ein aufrichtiger "Christ" letztlich immer stranden, weil er sich auf dem Weg des christlichen Aktivismus und damit tatsächlich auf dem Weg des Gesetzes befindet, der immer in Niederlage, Elend, Anklage, Fluch und Tod enden wird.
Gottes wahrer Ratschluss ist dagegen diametral anders aufgebaut – und das ist nichts anderes als die herrliche Liebe des himmlischen Vaters. Der HERR wusste sehr wohl, dass es der Mensch über all die Jahrtausende hinweg niemals schaffen würde, wahrhaft verändert zu werden und das göttliche Berufungsziel zu erreichen. Sehr vereinfacht dargestellt sagte uns der HERR folgendes: "Lieber Mensch, der du alles investierst, um ans Ziel zu kommen – setze dich doch einmal hin. Ich löse dein Problem gleich selber und völlig anders, als du denkst!" Aus dem oben zitierten Text aus Eph.2,8-10 kann dies deutlich erkannt werden.
Das wahre Evangelium des Christus
Vor rund 2000 Jahren sandte der himmlische Vater einen vollkommenen Menschen auf diese Erde, der jede göttliche Anforderung an den Menschen perfekt erfüllte, der Herr Jesus Christus. Dieser Mensch war perfekt heilig, perfekt rein, perfekt vollkommen und vieles mehr – und dies immer in göttlicher Perfektion. Am Ende seines Dienstes folgte die Kreuzigung. Dort nun hing der ewige Sohn Gottes also, für praktisch alle völlig unverständlich – auch heute noch. Doch damals vollzog der himmlische Vater die wohl entscheidendste Handlung für jeden aufrichtigen Menschen, der sich nach göttlichem und vollkommenem Leben sehnt. Aus Seinem göttlichen Blickwinkel nahm Er jeden seither lebenden Menschen – also auch Sie – und verband (vereinigte) ihn mit Seinem Sohn Jesus Christus und Seinem ganzen Kreuzeswerk. Und damit sind wir bereits im Zentrum der paulineschen Tauflehre angelangt (Röm.6,3ff.)!
Am Kreuz von Golgatha hat der himmlische Vater vorausschauend oder vorgreifend jeden Menschen mit Seinem Sohn Jesus Christus verbunden oder vereinigt. Man definiert das als den so genannten objektiven Blickwinkel Gottes, d.h. so sieht es der HERR unabhängig unseres Standpunktes. Seit jenem Zeitpunkt sieht uns der himmlische Vater und heilige Gott als in Christus lebend, d.h. als völlig in Seinen Sohn eingebunden oder mit Seinem Sohn verwachsen (Röm.6,5). Die gewaltige Konsequenz göttlichen Handelns in Christus ist nun folgende: Was immer der Herr Jesus Christus durch Sein Sterben am Kreuz von Golgatha vollzogen hat, wurde uns aus Gottes Sicht aus reiner und völlig unverdienter Gnade vollumfänglich übertragen. Was immer der Herr Jesus Christus selber ist oder in Ihm enthalten ist – sein ganzes heiliges, reines, gerechtes und vollkommenes Leben – wurde aus Gottes Perspektive jedem Menschen vollständig übertragen, und zwar in jeder Hinsicht und in jeder Dimension. So wurde beispielsweise jedem Menschen das gleiche Leben übertragen, das in Jesus Christus war und immer sein wird (z.B. 1.Joh.5,12).
Auf diese Weise handelte also der himmlische Vater ungefähr im Jahr 30 n.Chr. Irgend ein anderer Weg wird niemals existieren, um das Ziel der göttlichen Berufung zu erreichen – er würde mit Bestimmtheit immer im Nichts enden. Man bezeichnet dieses Prinzip göttlichen Handelns das Prinzip der Identifikation mit dem Herrn Jesus Christus oder das Prinzip des objektiven Blickwinkels Gottes. Das heißt, so sieht der himmlische Vater den Menschen in oder durch Seinen Sohn Jesus Christus seit dem Jahr 30 n.Chr. – völlig unabhängig davon, was der Mensch daraus machen könnte. Es ist Gottes Meinung und das Resultat Seines genialen Erlösungsplanes für den Menschen in Seinem Sohn Christus.
Um gleichen jeden Verdacht auszuräumen: Ich vertrete hier nicht die unbiblische Lehre der so genannten Allversöhnung, wonach schließlich über die "Äonen" hinweg alle zur Versöhnung, sprich zur Errettung kommen sollen. Das Prinzip der Identifikation mit dem Herrn Jesus Christus oder des objektiven Blickwinkel Gottes heißt leider niemals, dass dies jeder Mensch automatisch subjektiv, d.h. in seiner persönlichen Erfahrung effektiv erleben würde. Es steht nur jenen Menschen zu, die den Herrn Jesus Christus erkannt und Ihn als ihr Leben mit Seinem gesamten Werk durch den kindlichen Glauben angenommen haben. Zur Erfahrung kommt einzig jener aufrichtige Mensch, der im kindlichen Glauben den Blickwinkel Gottes in Christus für sich selber annimmt (akzeptiert) und sich damit das herrliche Leben Christi mit allen Seinen gewaltigen Bestandteilen aneignet. Damit erfüllt sich das Wort aus Röm.8,32b ... wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken – das perfekte Prinzip der Gnade Gottes – allein durch Glaube (s. Eph.2,8-10).